Die Glücksritter und der heilige Gral

So musste es ja mal kommen. Haben wir nicht immer gesagt, Strategie und Diplomatie sind ganz nett, aber am Ende gewinnt eh Mister Goldfinger, der Mann mit dem goldenen Händchen? Was nutzt taktische Überlegenheit, wenn bei den entscheidenden 50-50-Chancen die innere Stimme über das Quentchen Vorsprung entscheidet? Einer hat Glück, einer hat Pech, so ist das oft im Leben eines Diplomacyspielers. Und wieder einmal sieht es so aus. Wir führen hier den Beweis, dass ein einziger 50-50 vermutlich über Ruhm und Ehre entscheidet.

Es sind vermutlich nur noch 2 Spieler übrig im Rennen um den heiligen Gral. Sie haben eine gewisse Chuzpee bewiesen und die anderen hinter sich gelassen. Doch nun folgt die letzte Prüfung. Wir sehen die verstaubten und abgekämpften Gesichter von Indiana Jones und seinem Gegenspieler Bolac: Der eine will heldenhaft das Leben seines Vaters Henry "Sean Connery" Jones retten, der andere giert nach Unsterblichkeit und Weltherrschaft. Dazu müssen sie nur ein paar Schluck aus dem Heiligen Gral trinken, eigentlich ganz simpel. Aber welches ist der echte Gral?

Beide haben sie die 3 Prüfungen der heiligen Tempelhöhle überwunden und stehen nun im Saal der Wahrheit, am Becken des Schicksals, zwischen den Spinnenweben der Geschichtlichkeit. Aug in Aug stehen sie da, und um sie herum tausend Kelche, von denen alle den Tod bringen, und nur einer den Sieg. Bekanntlich wählte Bolac den falschen Becher und starb binnen Sekunden den Alterstod im Zeitraffer, nach allen Regeln der Kunst aus George Lucas' Special-Effect-Trickkiste. Indiana Jones hingegen besann sich auf sein goldenes Händchen und rettete somit nicht nur das Leben seines Vaters, sondern auch die Herzen seiner Fans und die Einnahmen von Paramount Pictures. Ein wahrer Held! Wer ist Indy, wer ist Bolac, wer ist fix und wer ist foxi, wer gewinnt dieses atemberaubende Duell um die Deutsche Meisterschaft? Frank oder Jochen? Wir wissen es, aber wir verraten es nicht, um die Spannung nicht zu verderben. Schauen wir lieber noch mal auf die Karte. Ihr wisst schon, dieses bunte Bildchen mit den vielen kleinen Pömpeln, wir haben glaube ich im ersten tatz-Artikel schon mal drüber gesprochen, und im letzten auch. Eigentlich spielt sich da ja alles ab.

Center-Count im letzten Herbst:
England: 7
Frankreich: 11
Russland: 8

Uiuiuiui. Jochen hat schon mal die Krone in der Hand, und nur Frank kann sie ihm noch entreißen. England hatte noch Hoffnungen auf einen Sieg, doch das wird seehr eng und geht wohl nur noch, wenn hier jemand einen Fehler macht, denn entweder F oder R wird wohl vor ihm landen. Torsten kann seinerseits mit guten Zügen Frankreich die Fischsuppe versalzen. Eine heiße Verfolgungsjagd zwischen Jochen und Frank bahnt sich also an, bei der der ausgeschaltete Rivale Torsten ein heißes Wörtchen mitzureden hat. Wenn er auf ein möglichst gutes eigenes Ergebnis spielt, ist das eine Gefahr für Frankreich. Oder gönnt er seinem ehemaligen Bündnispartner den Titel und schenkt ab? Dann könnte er aber noch auf den Vierten Platz zurückfallen. Wir gehen davon aus, dass England für sich spielt und niemanden sonst.

Frankreich verliert Liverpool, soviel ist sicher, macht nur noch 10:8 gegen Russland. Auch Berlin sieht gut aus für Russland. England hat keinen Grund, es nicht mit Kiel zu versuchen und Berlin beim Halten zu unterstützen. Möglicherweise benutzt Frankreich sogar A Ber, um Kiel zu decken. Wir gehen hier also mal von 10:9 aus. Aus der Sicht des Verfolgers heißt das: 2 VZ aufholen! Aus Sicht des Verfolgten: Höchstens ein weiteres VZ verlieren, und außer Berlin keins an Russland!

Kommen wir zu den Wackelkandidaten unter den VZ:
Bre: Deckt Frankreich es, oder cuttet er den Kanal? Wenn Bre englisch wird, könnte das der Schlüssel zu einem Überraschungserfolg von Torsten sein. Das halten wir aber für sehr unwahrscheinlich, da der Franzose Bre decken kann und England F Eng wohl lieber für Bel einsetzen wird.

Bel und Hol: Belgien ist schwer zu halten für Frankreich. F könnte sowohl F Nth als auch F Eng cutten, muss aber Bre, Kiel und Mun decken. Auf Nummer sicher geht der Engländer mit Hol S Eng-Bel, weil dann eines von beiden sicher ihm gehört. Wenn der Franzose nicht die Eier hat, den Kanal zu cutten, verliert er womöglich beides.

Kiel: Doppelter englischer Angriff möglich. Die Aussichten sind aber trübe, da Frankreich A Ber und A Ruhr einsetzen kann, um Kiel mit Support zu decken bzw. Holland zu cutten.

Edi: Einen Versuch wert? Wenn der Engländer F Nth für Bel/Hol einsetzt, wäre Edi frei. Unwahrscheinlich.

Spannend wird es im Osten:
Italien hat die Joker-Armee. Macht er mit Russland einen München-Deal? Der könnte so aussehen, dass der Russe den Osmanen in Ven bounct und dafür Ruudi nach Mun supportet. Freilich würde der Russe sicherer fahren, wenn er dann doch Vie deckt (oder Ser deckt, um von Ser aus Bul anzugreifen) und Mun selber mit A Boh cuttet. Doch im Erfolgsfall, wenn der Franzose Mun nicht mit Bur deckt, könnte dieser Handstreich das Spiel entscheiden.
Italien geht dabei übrigens das Risiko der Eliminierung ein. Einen Zug nach Vie oder Tri finden wir da auch weniger zielführend, weil dabei Ven verloren, Mun durch die Lappen und A Tyr trotzdem gebounct werden könnte. Bei Rudi gehen wir eigentlich von einer konservativen Spielweise aus, was für Tyr-Ven sprechen würde. Aber warum zum Kuckuck ist er dann im Frühahr nach Tyr reingezogen und hat auch noch Support dafür bekommen? Der Joker bleibt im Spiel.

Nap ist eigentlich nur ein Nebenkriegsschauplatz. Doch es spielt ins Gre-Szenario rein: Denn was, wenn Jochen sich dazu hinreißen lässt, Rudi, unserem Glücklosen Italiener, mit F Ion zu helfen? Damit Robert nicht auch noch auf 8 VZ kommt? Das ginge mit Tun S Nap-Tyn als Gegenzug zu Rom S Tyn-Nap und Ion-Nap. Damit wäre für beide möglichen türkischen Angriffe auf Nap vorgesorgt, Tyn-Nap ebenso wie Rom-Nap. Doch da ist ja noch F West. Ein weiterer Support für Nap-Tyn, und Nap fällt vielleicht an Frankreich! (Bei Rom S Tyn-Nap würde F Ion nämlich nach Nap einziehen.) Deshalb erscheint es uns unwahrscheinlich, dass Rudi sich darauf einlässt. Ein weiterer Nebeneffekt wäre, dass Frankreich nicht nach Gre ziehen könnte, was er aber tun sollte! Was uns zu Gre/Bul bringt.

Bulgarien können 2 Seiten doppelt angreifen, R und T. Ein Bounce scheint auf den ersten Blick vorprogrammiert. Da der Osmane mit Ion-Gre rechnen muss, greift er also von Gre aus an, Aeg supportet. Doch warum sollte es Frank nicht mit Rum S Gre-Bul, Ser-Gre versuchen? So lässt er die Finger von Bulgarien, das er ohnehin kaum kriegen kann, und versucht es mit Griechenland. Das kann nur der Franzose verhindern, indem er Ion-Gre spielt. Dies wäre für Robert ein doppelter Glücksfall: Seine Chancen auf Nap steigen, und Russland kriegt weder Bul noch Gre. Deshalb wird Robert den Franzosen unter Druck setzen, nach Gre zu ziehen, damit der Russe es nicht bekommt. Wir gehen also von Aeg S Gre-Bul und Ion-Gre aus.

Damit bleibt ein verdammter 50-50 um Ank und Smy.

Wir notieren also:
Mit A Ruhr und A Ber kann Frankreich vermutlich Kiel decken, aber Hol und Bel sind in Gefahr. Oder er verliert Kiel und gewinnt Holland zurück. Macht aber auch 1 Minus. Mun wird der Franzose wohl auch halten. Berlin geht wahrscheinlich an Russland, Bre bleibt am ehesten französisch. Und Ank/Smy ist Glückssache.

Das hieße:
England: 8 VZ
Frankreich: 8 oder 9 VZ
Russland: 9 oder 10 VZ

Uiuiuiuiuiuiuiuiuiuiuiuiui. Frankreich hat bei Gleichstand die Nase vorn. Doch dazu müsste Jochen ein glückliches Händchen in Benelux beweisen UND Frank Pech mit seinem 50-50 haben. Dann feiert Jochen Weihnachten an der Seite von Groupies und berühmten Models. Wenn der 50-50 gelingt, oder 2 von Hol+Bel +Kiel englisch werden, heißt der Deutsche Meister Huibuh, was die deutsche Diplomacy-Szene entzweien wird wie nie ein Eregnis zuvor. Hat Frankreich bei beidem Pech, wird er sogar nur Dritter.

Also, wer ist hier Indy? Wer verliert auf den letzten Metern sein Zuggefühl und wird Bolac? Oder ist das alles Schmuh, und England zieht als Lachender Dritter doch noch den echten Gral aus der Hosentasche? Wir wissen es wie gesagt längst, weil wir eben so unglaublich gut informiert sind. Aber wir sagen erst hinterher, dass wir es ja schon immer gewusst haben ;-)

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