In Teil 1 dieses Extrablattes haben wir viel darüber gelernt, wie es derzeit in Europa steht, und wo keine Veränderungen mehr erwartet werden sollten. Wo aber wird das Spiel nun entschieden? Und wie? Zwei weitere Brennpunkte werden darüber wohl entscheiden.
1) Die Nordatlantik-Situation
Das VZ in Lpl ist dem Engländer eigentlich nicht mehr zu nehmen. Oder?
Vergessen wir die französische Nordflotte nicht. Frankreich kann, sollte
es die Flotte nach NWG bringen, LpL oder Edi zu 50% halten. Aber langsam und
der Reihe nach:
a) Die A Edi muss in dieser Runde nach Lpl. Sollte die französische Flotte nach NWG durchstoßen, haben beide zwei Möglichkeiten: nach Edi ziehen, oder nicht. Ziehen beide oder keiner hinein, hat England ein VZ gewonnen. Wenn nur einer hineinzieht, hat Frankreich den Status quo erhalten.
b) Allerdings kann bereits im Frühling die englische F Nwy verhindern, dass die französische F Bar überhaupt nach NWG kommt, indem sie selber nach NWG ausläuft. Doch vorsicht: wenn der Franzose dieses Manöver erahnt, könnte er selbst nach Nwy einlaufen, und damit ein VZ erobern. 50:50 also, ob sich die F Bar nochmal wichtig machen kann.
c) In jedem Fall allerdings könnte die F Lon im Frühling nach Nth auslaufen und im Fall der Fälle (französische Flotte in Nwy oder NWG) ausputzen, und das VZ (Edi/Lpl oder Nwy) sicher nach Hause holen. Allerdings fehlt die Flotte dann bei der wichtigen Entscheidung in Mitteleuropa. Weswegen die beste Strategie für England vermutlich F Nwy H ist. Sollte Bar nach NWG ziehen, kann man immer noch auf die 50:50 Chance über Edi hoffen, und Nth für andere Zwecke in Deutschland einsetzen.
Fazit:
Sollte die französische Flotte Bar nicht nach Nwy oder NWG vordringen können,
gewinnt England ein VZ und hat die F Nth zur freien Verfügung.
Sollte die französische Flotte Bar nach Nwy kommen, gewinnt England ein
VZ, muss aber die F Nth dafür einsetzen.
Sollte die Französische Flotte Bar nach NWG kommen, ist die Chance auf
das VZ 50:50; England kann sich allerdings aussuchen, ob es die F Nth dafür
verwenden möchte, das VZ zu 100% zu machen.
Sehr wahrscheinlich also ein Gewinn für England, die entscheidende Frage ist, ob es die F Nth dafür einsetzen muss, oder nicht.
Stand nach 30 sehr wahrscheinlich vergebenen VZ:
5. Italien (1-3 VZ)
4. Osmanien (5-7 VZ)
3. England (7 VZ)
2. Frankreich (7 VZ)
1. Russland (8 VZ)
2) Die Deutschland-Situation
Wo sollte das Finale einer DM auch anders entschieden werden als in Deutschland?
Vier VZ werden hier verlost, nämlich
Bel Hol Kie und Ber. Und hier wird es ziemlich unmöglich, sämtliche
Zugmöglichkeiten vorherzusehen, alle Varianten und Finten der drei Beteiligten
auszuloten und zu vergleichen. Allerdings können auch ein paar Allgemeine
Dinge von entscheidender Bedeutung geklärt werden.
a) Russlands Vorgabe: Berlin
Russland kann maximal (und wird) Ber gewinnen, käme damit auf neun VZ.
Der Zug Vie-Sil ist der einzige dafür erforderliche, nur Frankreich kann
Russland daran hindern, indem es gleichzeitig Ber aufgibt und Mun gefährdet.
Schlechter Tausch. Deswegen wird Ber im Herbst fallen, deswegen wird es gelten,
die neun VZ Russlands zu schlagen.
Stand nach 31 sehr wahrscheinlich vergebenen VZ:
5. Italien (1-3 VZ)
4. Osmanien (5-7 VZ)
3. England (7 VZ)
2. Frankreich (7 VZ)
1. Russland (9 VZ)
b) Englands miserable Chancen
England müsste folglich alle drei restlichen VZ (Bel, Hol, Kie) für
sich entscheiden. wenn der King noch Meister werden möchte. Sehr schwer.
Unmöglich sogar, wenn Frankreich gleich Ruh s Bur-Bel zieht. Damit ist
Bel für den King unerreichbar, und somit auch die benötigten 10 Zentren.
Englands Rolle wird sich auf die des Königsmachers beschränken. Eine
undankbare Rolle. Egal was der King anpackt, irgendwer wird schreien. Unser
Tipp: versuchen, das Maximum an VZ herauszuholen. Auf das eigene Ergebnis spielen.
Wenn man sich in der Rolle des Steigbügelhalters gefällt: kann man das Spiel durch Eingreifen in Ber/StP drehen. Aber daran wollen wir nicht mal denken, oder?
c) Frankreichs Sieg?
Immer noch sind wir bei der Verteilung von Bel Hol und Kie. Sollte Frankreich
zwei dieser drei VZ halten können, wäre es durch, da bei VZ-Gleichstand
Frankreich der Sieger wäre. Sollte England zwei dieser drei VZ erobern,
wäre Russland Meister.
Die relvanten Einheiten für die Entscheidung in Bel, Hol und Kie sind Frankreichs
A Mar, A Bur, A Ruh und A Ber; bzw. Englands F Nth, F Bel, F Bal und F Bot.
F Bal hat zwei Möglichkeiten: nach Den ziehen, und Bot Platz zu machen, um dann im Herbst mit vereinten Kräften Kie zu nehmen, oder direkt nach Kie ziehen. Der Zug nach Den ist dann verkehrt, wenn Frankreich im Herbst noch die Kombination Ruh/Ber am Brett hat. Ber kann aufgegeben werden, und Ruh schützt Kie mit einem einfachen Ruh s Ber-Kie. Also besser direkt Bal-Kie gezogen? Nein, denn wenn Frankreich im Frühling Ruh-Kie zieht, reicht im Herbst ein einfaches Ber-Kie um Kie zu schützen. Sollte Frankreich also Ruh-Kie und Bur-Ruh ziehen, kann Kie jedenfalls gehalten werden. Besser also vermutlich, Bal-Kie zu ziehen, um zu verhindern, dass die A Mar noch ins Spiel kommt.
Dann hätten wir also eine ähnliche Situation wie jetzt; nur dass E noch eine Flotte in der Nth hätte. Können diese beiden Flotten Bel und Hol nehmen? Sie können nicht, ein simples Bur-Bel mit Ruh-Hol genügt, um eins der beiden Zentren zu besetzen, und damit die erforderlichen neun zu komplettieren.
Würde es helfen, wenn England alles auf eine Karte setzt, StP riskiert und Nwy-Nth mit Lon-Eng kombiniert? Nicht, wenn Frankreich in NWG steht. Würde es helfen, wenn England im Frühling zusätzlich Bel-Hol zieht? Das könnte in der Tat helfen. Allerdings nur zusätzlich zu Nwy-Nth und Lon-Eng. England müsste also Nwy riskieren, eventuell sogar StP, je nachdem, wie der Zar die Sache anlegt, um den Zaren zum Sieger zu machen. Eher unwahrscheinlich, aber eine Möglichkeit. Hier ist Diplomatie gefragt.
Von der tatz vermuteter Endstand:
5. Italien (1-3 VZ)
4. Osmanien (5-7 VZ)
3. England (8 VZ)
2. Russland (9 VZ)
1. Frankreich (9 VZ)
Hat Frankreich also bereits gewonnen? Nach menschlichen Maßstäben ja. Würden fünf Computer am Brett sitzen, bräuchte das letzte Jahr wohl in der Tat nicht gespielt werden. Allerdigs menschelt es gerne an Diplomacy-Brettern. Deswegen dürfen wir trotzdem gespannt sein, wer sich zum Deutschen Meister 2004 krönt.