Wir von der tatz lassen uns ja im Allgemeinen nicht sehr viel Zeit mit unseren Blitzkommentaren; vielmehr liegen uns Schüsse aus der Hüfte, die vielleicht manchmal daneben zielen, meistens allerdings hübsch anzusehen sind. Diesmal, vor Frühling 1906 allerdings: Ratlosigkeit. Beinahe der erste NMR der tatz, und das aus gutem Grund: was sollen wir hier wie kommentieren?
Es ist allgemein üblich, dass sich Finalspiele bei 'Großereignissen' respektive gute Partien von 'normalen' Partien unterscheiden und eigenen Gesetzen folgen. Erste Regel dabei: noch mehr als in anderen Partien wird darauf geachtet, dass kein Spieler den anderen davonzieht. Meist sieht das dann so aus, dass alle Spieler bei 4-7 Einheiten stagnieren, und sich (für den Zuschauer) unglaublich öde Partien mit vielen Bündniswechseln und wenig erkennbaren strategischen Meisterleistungen (permanentes Reagieren auf sich permanent ändernde Situationen) liefern. 'Balance of Power' lautet dann der Euphemismus für ein derartiges Chaos. Oder es spielen einige Teilnehmer während des ganzen Spieles solide Bündnisse; dann läuft es oft nur noch auf ein 'Warten auf den Gong' hinaus, da sich keine Partei mehr traut einen Finger zu rühren (und zu Recht; das erste Bündnis, das sich rührt, wird normalerweise gnadenlos fertig gemacht).
In welche Richtung tendiert nun dieses Finale? Definitiv sehen wir hier keine fixen Bündnisse; jedenfalls keines, in dem alle Beteiligten erfolgreich sind (und in so einem Fall sind die weniger erfolgreichen natürlich aufgerufen, sich um ihren Erfolg zu kümmern). Viel mehr ist 'Bäumchen wechsle dich' angesagt, und das ist natürlich für den Zuseher weitaus interessanter.
'Was gibts neues im Finale?' - Immer ist mit Breaking News zu rechnen. Nie wird man hören 'Das Übliche; Du weißt schon...'. Für den Kommentator, um obigen Faden wieder aufzunehmen, sind derartige Partien ein wenig undankbar. Wenn man sich nicht auf das bloße Beschreiben von Vorkommnissen beschränken möchte (jeder Newbie kann Karten lesen, und sehen, was vor sich geht), muss man versuchen, einzelne Züge in einen größeren Zusammenhang zu bringen. Und der ist in Partien wie dieser und ohne Kenntnis der Verhandlungen von Außen nicht zu entdecken.
Was allerdings gesagt werden muss: üblicherweise geben die wirklich toughen Jungs in den hochklassigen Partien alles, um die Hexenmächte E und T nicht zu groß werden zu lassen. Gut, E kann hier eventuell gerade noch kontrolliert werden, aber T ist umgeben von Freunden und Marginalisierten; der Begriff 'Balance of Power' sollte für das Finale nur angewendet werden, wenn Osmanien nicht in Rechnung gezogen wird.
Wies nun weitergeht? Tja. Auch euer Kommentator ist kein Hellsehbär. Einen leisen Verdacht hege ich ja schon gegenüber dem russischen Aufbau; Russland kommt in dieser Partie eine wahrlich nicht sehr angenehme Aufgabe zu, nämlich als jemand, der seine Finger an allen Orten des Brettes im Spiel... hatte, für jenes Bisschen Balance zu sorgen das der Power dieses Spieles bisher abgeht. Also von meiner Seite aus ein klares 'ja, der Angriff auf Osmanien steht unmittelbar bevor, ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Frank hier mit der untergeordneten Rolle abfinden wird, die er neben Robert zu spielen hätte'.
Und bevor hier zwei Bären gelyncht werden: nein, wir finden die Partie absolut nicht uninteressant. Wir finden sie derzeit ein wenig unkommentierbar. Aber kurzweilig. Und weil wir sonst auch immer so viele gute Tipps gehabt haben, hier nochmal schnell einer für alle, damit sich keiner beschweren kann: In Partien, in denen viel gestabt wird, gewinnt erfahrungsgemäß derjenige, der sich in einem gut harmonisierenden Bündnis (meistens dem einzigen am Brett) letzten Endes durchsetzen kann. Nicht zu Unrecht sind die meisten 'guten Spieler' gute Bündnisspieler, denen man nur nicht die Chance zum Stab geben darf. Wo entwickelt sich aus all dem Chaos die bestharmonisierende Allianz? Das ist die Frage, der wir demnächst nachstellen werden